Man sagt, dass Zeit alle Wunden heilt. Doch tut sie das? Lässt sie uns Erinnerungen verdrängen, vergessen wer wir damals waren, heilt sie unseren Schmerz? Lässt sie uns aufstehen aus unserem schwarzen Loch, um unseren Gefühlen zu entrinnen und einen Abschnitt unseres Lebens beginnen, der abseits von jenem liegt, das wir verloren haben? Nein, das tut sie nicht. Sie macht sogar alles nur noch schlimmer. Je mehr Zeit vergeht, je mehr Tage wir erleben, ohne das, was uns einst auf den Boden dieses Lebens brachte und uns Halt gab, je intensiver verspüren wir unseren Verlust. Wir spüren ihn, indem wir erkennen, wie wir uns entwickelt haben und dass wir lange nicht mehr die Person sind, die damals in den Spiegel sah. Wir sind älter geworden, unser Umfeld hat sich verändert und die Menschen kamen und gingen mit den Jahren. Durch das Heranwachsen vom Kind zum jungen Erwachsenen klärt sich vieles in unseren Gewissen. Wer wir sind, wer wir sein wollen und wen wir im Leben wirklich an unserer Seite brauchen. Dabei wird uns bewusst, dass wir uns nichts sehnlichster wünschen, als es mit demjenigen zu teilen, den wir vor so vielen Jahren verloren haben. Ihm zu zeigen, wer wir geworden sind. Und dann tut es weh, weil das eben nicht mehr geht.
Komisch, dass dieser Tag vor 7 Jahren ein Tag wie jeder andere war. Dass sich die Welt einfach weiterdrehte. Dass wir weiterlebten, Schritt für Schritt. Und je mehr wir uns von dem entfernen, was passiert ist, desto fremder wird einem diese Zeit. Mittlerweile kann ich sehr offen über den Tod eines Menschen schreiben, das ist sehr wohl etwas, was mir die Zeit schenkte. Doch Zeit heilte keine Trauer. Sie ließ mich lediglich älter werden, um anders damit umzugehen und bewusster darüber zu denken. Und das ist vermutlich das, was es am Ende schmerzhafter und belastender macht. Zeit lässt mich erinnern, Zeit zeigt mir jedes Mal aufs Neue, dass das Leben auf niemanden wartet. Mit jedem Jahr lässt mich dieser Tag, mehr als alle anderen Tage, der Zeit bewusst werden. Zeit ist unser größtes Geschenk, doch am Ende auch der ultimative Gegner. Zeit, Zeit, Zeit… Eine schwierige Sache.
Die gute Nachricht ist, dass heute die Sonne scheint und mich für einen Augenblick im Moment schwelgen lässt. Mich vergessen lässt, dass sie bald wieder untergeht. Doch eins hat Zeit an sich, für das wir auf ewig dankbar sein sollten: sie gibt uns jeden Tag aufs Neue die Möglichkeit, uns zu verbessern. Besser zu sein als gestern um etwas Großes zu schaffen. Es liegt wohl an uns, die Zeit manchmal für uns ganz persönlich anzuhalten – einzuatmen, die Augen zu schließen und dankbar zu sein.
In love and thought of my guardian angel in the clouds.
Joana